“Die Armee soll abhauen!” Indígenas in Chiapas fordern Entmilitarisierung ihrer Gemeinde "Das Militär ist schrecklich", so ein Mitglied
der Gemeinde Emiliano Zapata, 6 Autostunden nördlich von San Cristobal de las
Casas in der Zona Norte von Chiapas gelegen, zur Anwesenheit des Militärcamps
in seinem Ort. Um die rund 100 dort stationierten Soldaten zum Abzug zu bewegen,
führten rund 70 BewohnerInnen des Dorfes am 8. Januar 2004 einen
Protestmarsch zum Haupttor des Militärlagers durch. Begleitet wurden sie von
einer rund 15-köpfigen Delegation internationaler FriedensbeobachterInnen,
Menschenrechtsorganisationen aus San Cristobal sowie einigen
Pressevertretern. Das Camp ist nur einer von über 250 Stützpunkten in Chiapas,
in denen nach übereinstimmenden aktuellen Angaben der pazifistischen Organisation
“Las Abejas” (Die Bienen) und Onésimo Hidalgo vom politisch-ökonomischen
Forschungszentrum CIEPAC zwischen 50.000 und 70.000 Soldaten stationiert
sind. Als der Zug das Tor erreichte, versammelten sich sofort 40 schwer bewaffnete
Soldaten und Militärpolizisten, um das Camp abzuriegeln. Zwei Sprecher der
Gemeinde verlasen ihre Kommuniques, während die Soldaten aus dem Lager heraus
mit Video- und Photo-Kameras Aufnahmen von den internationalen
BeobachterInnen machten. Am Ende der Kundegebung wurde der Kommandant des
Militärcamps verlangt, der sich jedoch verleugnen ließ. So wurde seinem
Stellvertreter ein mehrseitiges Kommunique überreicht, dessen Entgegennahme
dieser unterzeichnen sollte, da zuvorige Beschwerden der DorfbwohnerInnen nie
beachtet wurden ein weiterer Mosaikstein der rassistischen und entwürdigenden
Behandlung der Indígenas durch die Organe des mexikanischen Staates. Die Folgen der Militarisierung Die Gemeinde Emiliano Zapata ist eine der vielen gespaltenen Gemeinden
in einer der konfliktreichsten Zonen von Chiapas. Hier hatten die AnhängerInnen
der auch paramilitärisch agierenden Organisation mit dem zynischen Namen «Paz
y Justicia» (Frieden und Gerechtigkeit) in einigen Orten phasenweise die
völlige Kontrolle übernommen. Sie arbeiteten unter den Augen der
Bundesbehörden fast als deren Stellverteter und leisteten ihre dreckige
Arbeit der Bekämpfung jedweder Opposition. Seit mehreren Jahren war keine internationale
Delegation mehr in dieses Gebiet gereist, nachdem es in der Vergangenheit
gewaltsame Überfälle auf Internacionalistas seitens der Paramilitärs gegeben
hatte. Aus diesem Grund wurden die in einigen Gemeinden Ende der 90er Jahre
eingerichteten Zivilen Friedenscamp bereits nach einem halben Jahr wieder
aufgegeben, da die Lage für die internationalen BeobachterInnen zu riskant
geworden war. In der Gemeinde Emiliano Zapata leben verschiedene politischen
Gruppierungen, was die Lage wie in vielen Orten sehr schwierig und unübersichtlich
macht. Da ist zum einen eine Gruppe von SympathisantInnen der zapatistischen
Bewegung die sich aus Angst nicht öffentlich so bezeichnen -, desweiteren AnhängerInnen
der sozialdemokratischen PRD, Mitglieder der ehemaligen Staatspartei PRI, die
in Chiapas noch immer sehr mächtig ist, sowie nicht zuletzt Paramilitärs der
Gruppe Paz y Justicia, die für zahlreiche Morde und Vertreibungen in den
letzten Jahren verantwortlich ist. Diese Gruppe ist z.T. identisch mit den
PRIistas und kollaboriert offen mit dem Militär, da beide Seiten voneinander
profitieren. Die wenigen Geschäfte des Ortes, in denen auch das Militär einkauft,
sind im Besitz von PRIistas. Einige junge Frauen und Mädchen gehen einer "zusätzlichen
Beschäftigung" nach. Diese informelle Prostitution führte in der
Gemeinde zu einer Reihe von Schwangerschaften. Die entsprechenden Soldaten
lassen diese Frauen später alleine zurück. Uns wurde ebenfalls berichtet,
dass die Soldaten im angrenzenden Bundesstaat Tabasco Spirituosen und Kokain
einkaufen, um diese Drogen dann in der Gemeinde zu verbreiten. Die
Anwesenheit der Soldaten führt außerdem zu massiven Umweltschäden und einer ständigen
Bedrohungssituation. "Die Militarisierung ist eine niedrigschwellige Form
von Krieg und zerstört die sozialen Strukturen der Gemeinden", so
Hermann Bellinghausen von der linken Tageszeitung “La Jornada” am Ort der
Protestaktion. Zum Schluß gaben die aktiven Gemeindemitglieder den Militärs
14 Tage Zeit, um zu verschwinden und skandierten mehrfach: "Die Armee
soll abhauen!". Schon wieder auf dem Rückweg in das Gemeindezentrum
wurde der Demonstrationszug von den nahe am Militärcamp stehenden Häusern aus
verbal beschimpft und mit Steinen und Lehm beworfen. Dies sind die Häuser der
Paramilitärs, die offenbar gegen den Rückzug des Militärs sind. Heike Kammer,
Mitarbeiterin von SIPAZ (Internationaler Friedensdienst) in San Cristobal,
erläuterte abschließend, dass die Menschen dieser Gemeinde zwar langsam
anfangen, zu merken, welches die großen Probleme für ihr friedliches
Zusammenleben sind, aber immer noch viel zu sehr in ihren “Parteifarben” denken.
Doch diese erste gemeinsame Anstrengung gegen das Militärcamp und die von der
Militarisierung forcierte Spaltung der Gemeinde könnte ein Anfang für gruppenübergreifende
Zusammenarbeit sein. Johannes Plotzki &
Luz Kerkeling, Chiapas Internetadressen zu Chiapas: Karte mit Einflussgebieten der Paramilitärs in Chiapas: http://www.ciepac.org/images/maps/pmdic98.gif -> Startseite Gruppe
B.A.S.T.A. |